Rainer Schiffer: Formen und Farben, von Professor Dieter Kraemer
Jedes künstlerische Schaffen einschließlich seiner Formgebung ist die Organisation menschlicher Erfahrung. Aus dem Nichts kommt nichts. Kunst aus dem Nichts setzte voraus, dass dieses Nichts das ostasiatische Nichts wäre, die Leere als Bedingung des entstehen Könnens.
Die Malerei von Rainer Schiffer ist ohne diese grundsätzliche Erfahrung kaum vorstellbar. In ihr herrscht eine Konzeption vor, bei der Form (und Farbe) gleichgesetzt werden mit Bewegung. Form ist da nichts Statisches, in sich Ruhendes, sondern etwas, was sich erst in seiner Bewegung manifestiert. Die unterschiedlichen Facetten dieser Malerei haben unterschiedliche Namen: un art autre, art informel, Tachismus, action painting, abstrakter Expressionismus, abstrakter Impressionismus.
Auf der Suche nach der Wesensmitte und dem Wesentlichen riskiert die Malerei einerseits die Grenze zur Geometrie und Mathematik, andererseits die Grenze zu Willkür und Zufall zu überschreiten, ihr Wesen also gerade dort zu erproben, wo sie aufzugeben droht.
Aus der Problematik dieses Unterfangens gewinnt die Malerei von Rainer Schiffer eine fassbare Leidenschaftlichkeit und zugleich ihre emotionale Rechtfertigung.
Die Gesetze der Malerei sind bestimmt durch die Fläche, auf der sie artikuliert werden. Ob das Bild gegenständlich ist oder nicht, wird unwesentlich gegenüber dem Tatbestand, dass es eine Wirklichkeit eigener Herkunft und Bestimmung schafft. Die Aussage von Hann Trier, der einmal gesagt hat: ,,Ich male nicht, was ich sehe - ich sehe, was ich male": könnte auch für die Malerei von Rainer Schiffer eine Bedeutung haben.
Die Sprache seiner Malerei formuliert sich gewissermaßen auf der Fläche von selbst - wie bei er allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden. Im Malen entstehen die Gegenstände seiner Bilder, vielschichtige Strukturen
und Spuren, mal freigelegt, mal verwischt, wobei die Herkunft der Bildwelten subjektiv sind. Spuren spielen eine
wichtige Rolle als ein Element von Geschichte, sie erweitern den Bildraum und heben ihn in eine andere Dimension,
die Zeit. Wenn bestimmte figurative Elemente in der Fläche dominieren, ist eine visuelle Grunderfahrung der Anlass.
Die  vielfältigen Umschichtungen von visuellen Momenten, die auch die Erfahrungen vieler Reisen in ferne Kulturen
beinhalten, bilden die Grundlage für seine Bildwelten.
Der Malprozess ist die Ebene, die die Dynamik, die Gestik, die Ruhe und den Elan freilässt, um die Herausforderung
zu bestehen, die Farbmaterie auf die Fläche zu transportieren. Es gelingt Rainer Schiffer, authentische Spuren zu
hinterlassen. Die Unverwechselbarkeit seiner Malerei zeigt: Stil ist die nach außen gewendete Wirklichkeit und diese
ist jeden Tag neu.